Zürcher Grossbanken bestimmen Basler Mietpreise

Grossbanken und Versicherungen besitzen in Basel fast jede dritte Wohnung und führen stolze Renditen ab. Das sind anteilsmässig mehr Wohnungen als in Zürich, wie die grosse «Wem gehört Basel»-Recherche zeigt. Kanton und Genossenschaften haben das Handtuch geworfen.

Recherchiert und umgesetzt von Bajour in Kooperation mit dem Recherche-Netzwerk Reflekt und Unterstützung von Le Pacte – Bündnis für Recherche und Reportage.

Unsere 5 wichtigsten Erkenntnisse

  1. Um den Basler Boden und Immobilien herrscht seit Jahren ein politischer Kampf. Doch nicht einmal die Behörden wissen, wer die grossen Player auf dem Basler Immobilienmarkt sind. Die Daten liegen im Grundbuch, können aber nicht ausgewertet werden.
  2. Gemeinsam mit über 1000 Freiwilligen hat Bajour im März die Grundbuchauszüge sämtlicher 25’204 Liegenschaften auf Stadtgebiet heruntergeladen und ausgewertet. So zeigt sich erstmals, dass Grossbanken und andere institutionelle Anleger, angeführt von Credit Suisse und UBS, fast jede dritte Wohnung in Basel besitzen.
  3. Die institutionellen Anleger haben in den letzten 20 Jahren 6000 zusätzliche Wohnungen gekauft . Die Anzahl Genossenschaftswohnungen stagnierte in dieser Zeit nahezu.
  4. Der überhitzte Markt führt zu steigenden Mieten. Die Kosten für Wohneigentum haben sich in Basel-Stadt seit der Finanzkrise verdoppelt.
  5. Zudem gibt es weitere preistreibende Faktoren: Seit 20 Jahren wächst die Basler Bevölkerung stetig und auch der Druck auf die Pensionskassen, für ihre Versicherten jährliche Renditen zu erzielen, nimmt zu. All das führt dazu, dass Kanton und Genossenschaften kaum noch neuen Wohnraum kaufen können, obwohl der politische Auftrag klar da ist.

Die Haltingerstrasse schlägt sich wie eine Schneise durch das Matthäus-Quartier. Die kleine Wohnoase kann im rauschenden Verkehr auf dem Riehenring leicht übersehen werden. Für die Bewohner*innen ist das eigentlich ein Glück. Die Häuser haben hier kleine Vorgärten, Velos, Trottinetts und Dreiräder sind ordentlich aufgereiht, bunte Fahnen flattern im Wind. Schön friedlich. So war es jedoch nicht immer.

Im Jahr 2000 hingen aus den Fenstern der Hausnummer 100 beschriftete Leintücher. Darauf stand: «Wir wollen hier wohnen bleiben!» Die Mieter*innen machten öffentlich ihrem Unmut Luft und protestierten lautstark. Denn das mit dem Bleiben sah die ehemalige Eigentümerin anders.

Dann kam Jan Delpy. Mit seinem Pensionskassengeld hat der ehemalige Lehrer vor 20 Jahren das abbruchreife Mehrfamilienhaus im Matthäusquartier gekauft, «kreativ saniert», und vermietet es seither kostendeckend an langjährige Mieter*innen.

An einer grossen Rendite ist er nicht interessiert, dafür am Wohl seiner Mieter*innen: «Wir sind keine Wohngemeinschaft, aber eine Hausgemeinschaft», sagt er bei unserem Besuch letzten März, als Bajour ihn mit dem Prädikat «sozialster Vermieter Basels» porträtiert hat. Eine begehrte Einzimmerwohnung bei ihm kostet 700 Franken inklusive.

Ein paar Häuser weiter, an der Haltingerstrasse 78, gab es auch eine Totalsanierung. 2012 wurde das Gebäude für 1,5 Millionen Franken von Grund auf auf den neuesten Stand gebracht: Weisse Fassade, optimierte Grundrisse, Parkettböden, neue Bäder, neue Küchen. Anfang Juli war eine Zweizimmerwohnung (55 Quadratmeter) für 1445 Franken ausgeschrieben. Das Haus gehört der Credit Suisse. Die Zürcher Grossbank ist die grösste Immobilienbesitzerin der Stadt. Sie hat das dortige Haus 2007 gekauft, wie aus dem Geschäftsbericht der CS hervorgeht. Seither liefern die elf Wohnungen jährlich einen satten Soll-Mietertrag. Im 2019 betrug er 173’000 Franken, keine Wohnung stand leer.

Hier der Privateigentümer Delpy, dort die Grossbank. Gut – Böse?

Ganz so einfach ist es aus Sicht der Basler*innen nicht. Denn dahinter verbirgt sich ein System, an dem viele teilnehmen. Auch etwa die Pensionskassenbezüger*innen, bzw. fast alle. Dass immer mehr Immobilien als Renditeobjekten betrieben werden, hat allerdings Auswirkungen. Weit über die Mietpreise in den einzelnen Häusern hinaus. Welche Interessen und Strategien sich durchsetzen, entscheidet, wie die Stadt in 20 Jahren aussehen und wer hier leben wird. Das zeigt ein Blick zurück in die Vergangenheit:

Seit der Finanzkrise 2008 gilt Wohnen als renditesichere Anlage für das viele günstige Geld und die Entwicklung kennt im Immobilienmarkt, nicht nur in Basel, preislich nur noch eine Richtung: Nach oben. Entsprechend sind Grossinvestor*innen noch stärker in den Immobilienmarkt eingestiegen und kaufen – wie in Basel – grosse Teile der Stadt auf. Die Bajour-Recherche zeigt: Firmen wie Credit Suisse, UBS oder die Pensionskasse Basel-Stadt besitzen inzwischen 29,7 Prozent aller Wohnungen in Basel. Das ist viel. Mehr noch als in Zürich, wo 28 Prozent aller Wohnungen renditeorientierten Anleger*innen gehören. Und der Anteil nimmt zu: Seit dem Jahr 2000 gehören den institutionellen Anleger*innen in Basel weitere 6000 Wohnungen. Das sind 6 Prozentpunkte mehr, während die Anzahl Genossenschaftswohnungen annähernd stagniert.

Der Grund: Immobilien gelten als begehrte Anlageobjekte, die in Zeiten von Negativzinsen eine sichere Rendite generieren. Denn der Boden ist knapp und die Nachfrage da: Die Einwohner*innenzahl von Basel nimmt seit 30 Jahren zu, ein Abflachen dieses Trends ist derzeit nicht absehbar.

Bislang fehlten in Basel die Zahlen zu den Besitzverhältnissen. Das statistische Amt in Basel-Stadt hat, anders als etwa in Zürich, keine Anbindung ans Grundbuch. Die aktuellste verfügbare Erhebung stammt deshalb von der letzten Volkszählung im Jahr 2000. Sie sind also mehr als 20 Jahre alt. Lukas Mohler, stellvertretender Abteilungsleiter Statistik Basel-Stadt, sagt: «Es ist uns bewusst, dass dies ein grösseres Bedürfnis ist.»

Bajour, bzw. unsere Leser*innen, haben die Zahlen inzwischen selbst erhoben. Anfang März 2021 lancierten wir mit «Wem gehört Basel?» die erste systematische Sammlung von Eigentumsinformationen der Stadt. Gemeinsam mit Tausenden Freiwilligen konnten wir sämtliche 25’204 Grundbuchauszüge herunterladen und in eine riesige Datenbank einspeisen. Jetzt haben wir ein klares Bild, wem die Stadt gehört.

Die Recherche zeigt: Der Basler Wohnungs­markt wird von zwei Banken (CS und UBS), vier Versicherungen (Baloise, Zurich, Swiss Life und Helvetia) und der Pensionskasse der Basler Kantonsangestellten dominiert. Zusammen besitzen die sieben grössten renditeorientierten Anleger zehn Prozent aller Wohnungen auf dem Stadtgebiet:

Bei genauem Hinschauen zeigt die Karte eine äusserst ungleiche Verteilung. In Wohngebieten mit hohem Anteil Einfamilienhäusern oder relativ kleinen Mehrfamilienhäusern wie dem Bruderholz, Bachletten oder Teilen des Hirzbrunnenquartiers besitzen Anlagegesellschaften kaum Wohnungen, in den bekannten Entwicklungsgebieten Bahnhof, Volta und neu auch Klybeck dominieren die institutionellen Besitzer*innen.

Mieterhöhungen in Basel bedeuten Dividende in Zürich

Danach folgen weitere Pensionskassen, aber auch Immobilienfirmen und Anlagefonds mit ebenfalls Hunderten Wohnungen.

Dem gegenüber stehen die privaten sowie die gemeinnützigen Immobilienbesitzer*innen: Sie besitzen noch immer zwei Drittel der Wohnungen. Das ist viel, könnte man denken. Doch ihr Anteil geht zurück – zugunsten der institutionellen Anleger*innen und mit Auswirkungen auf die Immobilienpreise.

Denn, so sagt Beat Leuthardt vom Basler Mieterverband: «Die grossen Firmen können viel mehr Druck ausüben und Rendite bolzen als die kleinen.» Resultat: «Die Kosten explodieren.»

Tatsächlich: Seit 2005 haben sich die Immobilienpreise in allen Quartieren mehr als verdoppelt, so steht es in der jährlich erscheinenden Wohn-Studie der Basler Kantonalbank (BKB). Fabrice Lanz, der bei der BKB die Immobilienabteilung leitet, rechnet vor: «Vor zehn Jahren brauchte ein typischer Basler Haushalt mit einem Einkommen von 80’000 Franken im Jahr rund 370’000 Franken Eigenkapital für eine Vergleichswohnung. Heute sind 930’000 Franken Eigenkapital nötig.» Die Studie kommt deshalb zum Schluss: «Ein Eigenheim in der Stadt ist inzwischen praktisch unerschwinglich geworden».

Diese Preise schlagen auch auf die Mieten. Durchschnittlich zahlen die Basler*innen heute 20 Prozent mehr für die Miete als 2005, wie eine Erhebung des Statistischen Amts ergeben hat. Dabei schenkt auch die Lage ein:

Vergleichbare Wohnungen auf dem Bruderholz sind gemäss Mietpreisraster 17 bis 18 Prozent teurer als in den günstigsten Wohnvierteln Klybeck und Kleinhüningen.

Diese Zunahme bei den Mieten hat selbstverständlich mit der Wohnungsknappheit und den höheren Ansprüchen zu tun, die Leute leben lieber in grossen Wohnungen.

Die steigenden Mietpreise hängen aber auch mit dem Renditedruck der Investor*innen zusammen. Das zeigen die Genossenschaften, die auf Kostenmiete setzen: Wer in einer 3-Zimmer-Wohnung lebt, zahlt 38 Prozent mehr als jemand, der eine gleich grosse Genossenschaftswohnung hat.

In diesen 38 Prozent versteckt sich die Rendite. Genossenschaften sind gemeinnützig und verlangen nur so viel Miete, wie sie für den Unterhalt brauchen, das nennt man Kostenmiete. Investor*innen dagegen schlagen noch Rendite darauf, um an den Wohnungen zu verdienen.

Für Beat Leuthardt vom Basler Mieterverband ist klar: «Es sind vor allem die grossen Firmen, die Rendite bolzen, koste es, was es wolle.» Auch kleine Vermieter*innen können ihre «Macken» haben, sagt er. Aber: «Die leben in Basel und setzen sich im Allgemeinen mit uns und den Mieter*innen an einen Tisch und handeln Lösungen aus.» Firmen wie die CS oder UBS hätten ihren Sitz dagegen in Zürich und würden für Verhandlungen mit Mieter*innen nur noch ihre Anwält*innen vorbeischicken. «Denen ist egal, ob du Schimmel hast im Badezimmer oder der Kühlschrank nicht funktioniert.»

Den harschen Befund teilt nicht nur der Mietervertreter. Auch Andreas Zappalà vom Hauseigentümerverband bestätigt, dass grosse Investor*innen bei den Preisen mehr ans Limit gehen als kleine Vermieter*innen.

Ein*e Kleinunternehmer*in mit einer Liegenschaft schaue Ende Jahr, ob es noch ein Plus gebe, «dann ist gut». Ausserdem würden viele private Hauseigentümer*innen selbst in der Liegenschaft wohnen. «Dann kennt man seine Mieter vielleicht seit Jahren und geht nicht ständig mit der Miete rauf», sagt Zappalà.

Gerade Pensionskassen, beispielsweise, müssen genug Einnahmen erwirtschaften, um ihre Renten zu finanzieren. «Deswegen analysieren sie regelmässig den Markt, vergleichen Mietpreise und schauen, wie die Ertragslage gehalten oder verbessert werden kann», sagt Zappalà.

Die Credit Suisse sagt: Unsere Mietpreise sind quartierüblich

Wir haben die Credit Suisse als grösste Immobilienbesitzerin der Stadt mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Sprecherin Joya Martellosio hält fest: «Credit Suisse Asset Management verwaltet für seine Fonds ein breites Immobilienportfolio in der Stadt Basel. Die Mietpreise in diesen Immobilien bewegen sich in der Regel im Rahmen der Orts- und Quartierüblichkeit für vergleichbare Objekte. Die Bewirtschaftung der Liegenschaften erfolgt durch vor Ort anwesende Immobilienverwaltungen, was eine professionelle Betreuung unserer Mieterinnen und Mieter sicherstellt.»

Wie das vor sich geht, zeigt sich beispielsweise entlang der Verkehrsader Luzernerring. Eine gänzlich unspektakuläre Lage, an welcher sich Wohnungen im Besitz von Grossinvestor*innen aneinander reihen.

Offenbar verbergen sich dank des aufgeheizten Markts auch in eher schmucklosen Mehrfamilienhäusern Renditechancen für Immobilienfirmen. So erklärt Robert Weinert, Immobilienexperte bei Wuest Partner: «Grossstädte wie Basel, Zürich und Genf sind sehr attraktiv in Bezug auf Investments. Hier ist die Nachfrage nach Wohnungen hoch, die Wohnungen sind oft knapp und demzufolge die Leerstände sehr tief», auch durchschnittliche Mietobjekte würden sich langfristig lohnen, weil die Mieteinnahmen stabile und kalkulierbare Einnahmen darstellen würden. Wer also eine stetige Rendite erzielen will, kauft und baut Mehrfamilienhäuser, vermietet sie, saniert sie zum richtigen Zeitpunkt, kann so die Mieteinnahmen steigern und die Rendite erhöhen. Das lockt.

Zwei der Gebäude in der Häuserzeile am Luzernerring gehören dem Lausanner Investmentfonds Realstone. 7,2 Millionen Franken hat die Firma vor zwei Jahren für die acht Wohnungen bezahlt und erzielt damit jährliche Mieteinnahmen von einer Viertelmillion, wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht

Doch offenbar will die Realstone noch mehr Rendite rausholen: Mittels Totalsanierungen. 

Darauf weist ein Schreiben an die Investor*innen hin, das Bajour vorliegt. Nach einer geplanten Aufzonung 2022 sollen die acht grösseren, eher günstigen Wohnungen allenfalls in bis zu 34 kleinere Wohnungen umgewandelt werden, was die Rendite vervielfachen würde: «Je nach Szenario besteht ein substanzielles Wertschöpfungspotenzial», informiert ein Realstone-Manager die Investor*innen im Brief. Bajour wollte mit Realstone sprechen, die Anfrage wurde nicht beantwortet. 

Vor einigen Jahren berichtete die «Tageswoche» in einer Serie über die Firma Immro AG aus dem luzernischen Schötz. Diese verdiente ihr Geld mit dem Kaufen, Umbauen und als Stockwerkeigentum Weiterverkaufen von Basler Wohnungen. Im «Wem gehört Basel»-Datensatz ist sie nur noch bei einer einzigen Liegenschaft als Besitzerin eingetragen, während sie von Mitte 2008 bis Mitte 2017 45 Objekte gekauft (und mittlerweile auch weiterverkauft) hat.

So lief das Crowdsourcing

In über 500 Arbeitsstunden haben 7000 Freiwillige die Besitzer*innen sämtlicher 25’204 Grundstücke in der Stadt Basel erfasst. Sie haben dafür ein von Bajour entwickeltes Tool eingesetzt.

Zum Ausprobieren: Wie wir die Daten gesammelt haben

Das Crowdsourcing-Tool läuft am besten im Chrome-Browser auf einem Desktop-Computer oder Laptop. Die Webapp findest du hier.

Doch die Realität ist, wie so oft, nicht schwarz-weiss. So sagt Rolf Borner, Chef von Immobilien Basel-Stadt*: «Aus unserer Sicht gibt es gerade unter den Tausenden privaten Vermietern solche, die hauptsächlich auf den Gewinn aus sind.» Anders als grosse Immobilienfirmen: «Die grossen Player auf dem Markt treten professioneller auf und senken beispielsweise von sich aus die Mieten, wenn der Referenzzinssatz angepasst wird», sagt Borner. Immobilien Basel-Stadt verwaltet die Immobilien des Kantons, der Einwohner*innengemeinde der Stadt Basel und der Pensionskasse Basel-Stadt.

Und was macht die Politik?

Ob für eine Basler Kleinunternehmerin oder für eine Zürcher Grossbank: Das Kaufen und Verkaufen von Wohneigentum ist nicht verboten. Gerade Pensionskassen und Anlagefonds haben in Zeiten des Negativzinses oft gar keine andere Wahl, als Rendite auf dem Immobilienmarkt zu erwirtschaften.

Doch im Immobilienmarkt gibt es einen weiteren Player: die Bevölkerung. Sie hat sich in den vergangenen Jahren in Person von Politiker*innen, Mietervertreter*innen und Anwohner*innen lautstark in den Wohnungsmarkt eingemischt. In Basel tobt ein politischer Machtkampf um den städtischen Boden.

Und die Mehrheit des Basler Stimmvolks hat sich in diesem Kampf klar positioniert, beispielsweise mit der angenommenen Bodeninitiative: Der Basler Boden soll nicht zum Spielball von Spekulant*innen und Investor*innen verkommen, sondern zu grossen Teilen für günstigen Wohnraum zur Verfügung stehen. Und bestehende Miethäuser sollen vor Totalsanierungen und Mieterhöhungen geschützt werden, wie das vierfache Ja zu den Mietinitiativen 2018 zeigte – eine Zustimmung, die selbst die Initiant*innen erstaunte.

"Cities for sale" - wie Wohnungen europaweit zu Finanzprodukten werden

Berlin, Amsterdam, Zürich – Unternehmen investieren immer grössere Summen in den Bau von Immobilien auf städtischem Gebiet und werden zunehmend zu gewichtigen Akteur*innen auf einem aufgeheizten Markt – der Boden ist knapp, die Nachfrage nach Wohnraum steigt stetig. Das hat das Recherche-Projekt «Cities for sale» ergeben, das in 15 europäischen Städten die grössten Immobilienspekulant*innen unter die Lupe genommen hat. Eine Entwicklung, die auch in der Schweiz sichtbar wird. Das Recherche-Team «Reflekt» hat sich innerhalb des europäischen Recherche-Projekt die Stadt Zürich näher angeschaut und kommt zu dem Schluss: Wohnungen werden zum Finanzprodukt, weil seit der Finanzkrise 2007/08 renditeträchtige und gleichzeitig sichere Alternativen fehlen.

Der Auftrag der Regierung ist also eigentlich klar: Der Kanton soll regulierend in den Markt eingreifen, den öffentlichen Grund behalten und darauf günstigen Wohnraum ermöglichen.

Der Kanton hat auch schon einige Massnahmen aufgegleist. So fördert die Regierung beispielsweise Genossenschaften und will deren Anteil von 13,5 auf 25 Prozent erhöhen.

Gerade im aufgeheizten Immobilienmarkt ist die Situation auch für die Genossenschaften schwieriger geworden. Das sagt Ivo Balmer, Präsident Mietshäuser Syndikat und Vorstandsmitglied im Regionalverband Nordwestschweiz von Wohngenossenschaften Schweiz: «Die Immobilienpreise sind mittlerweile so hoch, dass unser Modell einer bezahlbaren Kostenmiete kaum mehr umsetzbar ist. Vor einigen Jahren noch gab es Verkäufer*innen, zum Beispiel Erbgemeinschaften, die aus sozialen Gründen lieber an eine Genossenschaft verkauft haben, selbst wenn der Preis etwas tiefer lag. Heute ist der Unterschied zwischen dem, was Renditeinvestoren zahlen, und dem, was Genossenschaften bezahlen können, derart gross, dass wir Gefahr laufen, auch diesen Handlungsspielraum zu verlieren.»

Du willst den Durchblick? In der Youtube-Interviewreihe „Werkstattgespräche“ gewähren wir einen Blick hinter die Kulissen des grössten Crowdsourcing-Projekts der Stadt.

Die Basler Politik gibt sich zögerlich …

Die Regierung hätte aber noch einen weiteren Hebel: Selbst zu bauen. Einen Schritt in diese Richtung hat sie mit dem Programm 1000+ getan, bis 2030 will sie 1000 günstige Wohnungen erstellen. Das kommt einem Paradigmenwechsel gleich: Bisher unterstützte die Regierung Familien lieber mittels finanzieller Zuschüsse bei den Mieten.

Doch viel mehr liegt offenbar nicht drin, wenn man der zuständigen Regierungsrätin Tanja Soland (SP) glaubt. Sie rückte 2019 für Parteikollegin Eva Herzog nach und gab sich während des Wahlkampfs deutlich mieter*innenfreundlicher als ihre Vorgängerin.

Doch wenn man jetzt mit Soland und Rolf Borner spricht, geben sie sich zurückhaltend. «Ein Programm wie 1000+ ist mehrheitsfähig», sagt die Regierungsrätin. «Wenn wir hingegen auf dem überhitzten Markt flächendeckend mitbieten würden, gäbe es Widerstand. Ebenso bei gross angerichteten Bauplänen, beispielsweis Wohnhochhäusern», sagt Soland.

Im Gespräch wird klar: Hier wird in kleinen Schritten geplant, Projekte werden primär danach bestimmt, ob sie politisch umsetzbar sind. Statt zu investieren, will Immobilien Basel-Stadt als Vermieterin deshalb eine Vorbildrolle einnehmen und anderen Vermieter*innen aufzeigen, wie es auch gehen könnte.

Das klingt nicht wie die frühere Soland. Tatsächlich: Seit ihrer Wahl hat sich die Mehrheit in der Regierung verändert: Rotgrün verlor einen Sitz und muss nun mit einer Grünliberalen kutschieren, die punkto Wohn- und Sozialpolitik bürgerlicher tickt.

Auch der überhitzte Markt und die hohen Preise lassen die Behörden zögern. Diese Dynamik kennen andere Städte ebenfalls, etwa Zürich. Gegenüber dem Recherche-Team Reflekt sagte André Odermatt, der Vorsteher des Zürcher Hochbau­departements, kürzlich: «Es stellt sich schon die Frage, unter welchen Bedingungen wir als Stadt überhaupt noch Bauland oder Liegen­schaften kaufen können.» Das gelte auch für Basel, sagen Soland und Borner, allerdings sei es bisher gelungen, vertretbare Zukäufe zu machen, etwa das Rosental-Areal 2016 oder die Messehalle 3 und das Musical-Theater im vergangenen Jahr.

… und lässt privaten Investoren den Vortritt

Allerdings gibt es ein Entwicklungsareal, bei dem der Kanton dankend ablehnte: Im Klybeck. Dort liess der Kanton Investor*innen, die heute unter dem Namen Rhystadt AG firmieren, den Vortritt. Konsequenz: Quartierbewohner*innen und linke Parteien tragen im Klybeck einen politischen und rechtlichen Machtkampf mit den Investor*innen um jeden Zentimeter Grün- und Wohnfläche aus. Die einen wollen mittels Initiative 50 Prozent gemeinnützigen Wohnbau erreichen, bürgerliche Politiker dagegen lassen, stellvertretend für die Investor*innen, das Volksbegehren rechtlich anfechten. Obendrauf rüsten sich die linken Parteien für die nächste Initiative mit dem Namen «Ja zum echten Wohnschutz», sie kommt voraussichtlich im Herbst vors Volk. Ziel ist es, praktisch alle Mietwohnungen vor Totalsanierungen und entsprechenden Mieterhöhungen zu schützen.

Beat Leuthardt vom Mieterverband ist überzeugt, dass es diesen Schutz braucht. Ansonsten werde Basel in wenigen Jahren zu einem zweiten Zürich, wo «ohne regulierende Eingriffe nur noch Reiche sich das Leben in der Stadt leisten könnten». Er ist überzeugt: «Nur, wenn die Mieten auf dem jeweiligen Stand und somit bezahlbar bleiben, können die Menschen in Basel wohnen bleiben, welche die Stadt ausmachen.»

Andreas Zappalà vom Hauseigentümerverband hat dagegen gar keine Freude an diesem Begehren. «Die Initiative zielt auf die Grossinvestoren, aber sie trifft die Kleinen.» Sie verunmögliche es kleinen Hauseigentümer*innen, ihre Liegenschaften zu sanieren. An den Mieten werde sich nichts ändern: «Wenn das so weitergeht, haben wir in Basel Quartiere wie in Genf: Mit verlotterten Häusern und trotzdem hohen Mieten.»

Zappalà warnt ausserdem davor, auf Entwicklungsarealen wie dem Klybeck 50 Prozent Genossenschaften zu bauen, wie es die Initiative wolle. Das lohne sich weder für die Investor*innen, noch für die Quartierbewohner*innen: «Nicht alle Basler wollen in Genossenschaften wohnen.» Und auch an die wohlhabenden Menschen müsse man denken: «Ich weiss von älteren Leuten mit gehobenen Ansprüchen, die in Basel nichts gefunden haben und deshalb ins Baselbiet gezogen sind.»

Dank der Wem-gehört-Basel-Recherche weiss man jetzt wenigstens, wer die grossen Player sind. Und vielleicht sitzt der eine oder andere mit Leuthardt, Zappalà, Borner oder Soland an einen Tisch und sucht Wege, um bezahlbare Wohnungen zu erhalten.

Denn eins ist klar: Ob man den Investor*innen freie Hand lässt oder den Wohnungsmarkt staatlich einfriert, alle Probleme löst man nie gleichzeitig. Dafür ist der Wohnungsmarkt zu eng mit einem anderen Politikum verknüpft, das ebenfalls das Portemonnaie der Basler*innen direkt betrifft: das Schweizer Rentensystem. Als Mieter*innen sind die Basler*innen zwar auf bezahlbare Wohnungen angewiesen oder träumen gar von einem eigenen Haus im Grünen.

Doch in der Wohndebatte haben die Bürger*innen zwei Hüte an: Sie werden dereinst auch pensioniert und sind auf eine anständige Rente angewiesen. Wie aber sollen die Pensionskassen die dringend nötigen Renditen erzielen, um die Renten zu sichern, wenn der Immobilienmarkt reguliert wird?

Dazu braucht es Antworten, die nicht aus Basel alleine kommen können.

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Bajour übergibt den in Bezug auf den Datenschutz unbedenklichen Teil der „wem gehört Basel“-Daten – das Verzeichnis aller institutionellen Immobilienbesitzer – in die Freiheit. Soland und Borner können die Liste nehmen und die grössten Player zu einem Runden Tisch Immobilienmarkt einladen. Journalist*innen und andere Interessierte können zusätzliche Recherchen anstellen. 


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*Rolf Borner war Leiter Immobilien Basel-Stadt, als wir uns vor den Sommerferien mit ihm und Tanja Soland zum Interview getroffen haben. Seit 1. August ist er Direktor Infrastruktur und Betrieb bei der Universität Basel.